Es gibt nur einen Gott

Am Sonntag, den 21. Oktober feierte die Baptistengemeinde Steglitz einen festlichen Gottesdienst unter Mitwirkung des Shalom-Chores Berlin. In seinen herzlichen Begrüßungsworten betonte Pastor Dr. Matthias Walter die Freude seiner Gemeinde über die heutige, gemeinsame musikalische Gestaltung durch den Gemeindechor und seine Gäste, die in der Kirche in der Rothenburgstraße seit mehr als zwanzig Jahren für ihre wöchentlichen Chorproben eine Heimat gefunden haben. Dies sei eine für alle begreifbare, gelebte Form des interreligiösen Dialoges

Das stimmgewaltig, in Form eines Doppelchores unter der Leitung von Kantor Assaf Levitin vorgetragene Eingangslied „Adon Olam“ – Herr der Welt – von SalomoneRossi, einem Meister des Frühbarocks, hätte dieses Anliegen nicht trefflicherin die Weltsprache der Musik übersetzen können.

Als Wort zur Woche hatte Dr. Walter einen markanten Leitsatz aus Römer 12,21 gewählt: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ In diesem Zusammenhang berichtete er über eine persönliche Erfahrung, die er als ein Teilnehmer unter den 240.000 Menschen am vergangenen Samstag auf der Demonstration mit dem Motto „Unteilbar“ in Berlin gemacht hatte. Selbst dort habe er in einigen Parolen Hass und Ausgrenzung wahrgenommen. Aber um wieviel schwerer sei es doch, nicht zum verbalen Gegenschlag auszuholen, sondern durch gute Beispiele Gutes zu bewirken. Zu strafen gar, obliegt nur Gott allein.

In vielfältiger Weise feierten die Gemeinde und ihr Chor mit modernen Kirchenliedern die Größe Gottes und das Bedürfnis der Gläubigen, in seiner Gnade zu stehen. Der Shalom-Chor, wie immer von Svetlana Stepovaja einfühlsam am Flügel begleitet, trug das „Mi Chamocha“ – Wer ist wie Du unter den Mächtigen, Ewiger?  von Samuel Lampel vor. Eine besonders gelungene Synthese zwischen Wort und Musik stellte die Vertonung des Psalms 92 durch Louis Lewandowsky mit dem Titel „Tow Lehodot,“ ein Lied zum Schabbat, dar. Dessen Inhalt, die Freude, die es bereite, dem Höchsten mit Liedern zu danken und welche Kraft es dem Menschen bis ins hohe Alter vermittele, sich in seiner Nähe zu wissen, hatte Pastor Dr. Walter zuvor ausgeführt.

Ebenso verhielt es sich mit dem Psalm 95, der die Gemeinde auffordert: „Lasst uns zujubeln dem Ewigen,“ und aus dem Dr. Walter die Worte hervorhob: „Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie am Tage von Massa in der Wüste …, denn er ist unser Gott und wir sind sein Volk, für das er sorgt wie ein Hirte, das er leitet wie eine Herde. Heinrich Schalit hat diesen Psalm in seinem „Lechu Neranena“ vertont, dem Text, der zu Beginn des Kabbalat Schabbat am Freitag in der Synagoge gesungen wird und in den Abendgottesdienst einführt. Der kraftvolle Bariton von Kantor Assaf Levitin bewegte viele Gemeindemitglieder nicht nur in diesem Lied tief und etliche schlossen ihre Augen, um sich der Schönheit der jüdischen Synagogalmusik hinzugeben. Mehr als die Hingabe an Gott, auch wenn der Weg über die Musik führt, kann meines Erachtens ein Gottesdienst nicht bewirken. Diese Form inniger Hingabe, hebräisch Kavanah genannt, ist ein theologisches Konzept im Judentum zum Geistes- und Herzenszustand einer Beterin oder eines Beters und bezieht sich auf deren Aufrichtigkeit und emotionale Öffnung. Sie verkörpert die innere Haltung, die fühlt, was sie hört, sagt und singt.

In seiner Predigt aus Jeremia 29 erinnerte Pastor Dr. Walter an die alle Zeiten überdauernden Worte Gottes, als er die Menschen aus Jerusalem nach Babylonien wegführen ließ, und schlug eine Brücke zum heutigen Lebensgefühl nicht weniger Menschen, seien sie hier geboren oder zugewandert: „Baut Häuser und richtet euch darin ein, legt Gärten an, denn ihr werdet noch lange genug dort bleiben, um zu essen, was darin wächst. Heiratet und zeugt Kinder. Seid um das Wohl der Städte besorgt, in die ich euch verbannt habe, und betet für sie! Denn wenn es ihnen gut geht, dann geht es auch euch gut.“ Hier sprach Pastor Dr. Walter all dieVerunsicherten und Verängstigten in unserer Gesellschaft an. Jene, die sich heimatlos oder ihrer sicheren Gewohnheiten beraubt und fremd im eigenen Haus fühlen. Menschen, die gesellschaftliche Veränderungen nur schwer ertragen können und auch jene, die sie für sich als unzumutbar ablehnen. Die Gewissheit, mit einem festen Glauben eine dauerhafte Heimat zu besitzen, die einen schützend begleitet, wohin das Leben einen auch führen mag, vermag viel. Diese tragbare Heimat kann ein unverlierbarer Reichtum sein, um schwere Tage in fehlender Geborgenheit und Zeiten des Unbehaustseins, ob in sich selbst oder in realer Fremde, ertragen zu helfen.

Sabine Schmidt, die Leiterin des Gemeindechores,brachte ein wunderschönes Interludium an der Orgel zu Gehör, woran sich ein Gebet anschloss.

Nach dem Lied „Heilig, heilig, heilig“ von Gemeinde und Chor intonierte der Shalom-Chor das Kaddisch von Salomon Naumbourg. Fürbitte und Segen leiteten zum Gemeindelied „Gottes guter Segen sei mit euch“ über. Mit der Wiederholung des von beiden Chören im Wechselgesang vorgetragenen Eingangsliedes „Adon Olam“ fand der Gottesdienst einen gemeinsamen musikalischen Ausklang.

Sibylle Schuchardt